Antiquitäten und ihre Geschichte
Die Geschichte zeigt zahlreiche politische Ereignisse, Erfindungen und Entdeckungen,
die sich auf die Kunst und Lebensart, und damit auch auf Möbel und Haushaltsgegenstände der Menschen dieser Zeitepoche
direkt ausgewirkt haben. So kann man antike Möbel, Standuhren, Kommoden, Besteck, Vasen und vielerlei weitere
Antiquitäten aus vergangenen Epochen durchaus als Zeitzeugen bezeichnen.
Zwei Beispiele, die die Kunstrichtungen im geschichtlichen Kontext zeigen:
Als 1819 die Karlsbader Beschlüsse durchgesetzt wurden, die durch eine strenge Zensur liberale und nationale Einflüsse im nach-napoleonischen Deutschland ersticken sollten,
hatte das natürlich auch Einflüsse auf die Lebensart der Bevölkerung im Deutschen Bund. So entstand ein Umfeld aus politischer Zurückhaltung, Besinnung auf das Private und Häusliche und Spießigkeit:
Die Epoche des Biedermeier hatte seinen Nährboden gefunden.
Als zur Zeit des Hundertjährigens Krieges die Feuerwaffen ernstzunehmende militärische Bedeutung erfuhren und damit auch Söldnerheere in Mode kamen,
hatte das natürlich Einfluss auf die Architektur: Die Verteidigungsfähigkeit eines Anwesens war nun weniger bedeutend geworden und auf wuchtige Bauten konnte verzichtet werden.
Neue wichtige Aufgabe der Architektur war nun der Eindruck von Macht durch imposante Höhe - die Gotik löste die Romanik ab.
Zeittafel
Diese Zeittafel bietet einen ersten Ansatzpunkt um Antiquitäten schnell in den geschichtlichen Kontext einsortieren zu können.
Für eine weitergehende Bewertung von Antiquitäten empfehlen wir die Dienste eines Antiquitätenhändlers in Anspruch zu nehmen.
Für das Gebiet NRW können wir die unverbindliche Wert-Einschätzung von Antiquitätenhandel Meier,
www.antiquitaetenhandel-meier.de, empfehlen.
1000 n.Chr.
1200 n.Chr.
1400 n.Chr.
1600 n.Chr.
1800 n.Chr.
2000 n.Chr.
Romanik 1000 - 1250
angelehnt an den antiken (römischen) Stil, Rundbogenstil, verteidigungsfähige Bauten, rund und wuchtig
Gotik 1150 - 1500
Spitzbogenstil, Emporstreben, mächtig
Renaissance 1400 - 1590
Wiedergeburt des antiken (römischen) Stils, einfache geometrische Formen, Zeit der Erfinder, Gelehrten, Entdecker
Barock 1575 - 1770
sinnlich, üppig und verschwenderisch
Rokoko 1720 - 1770
auch Spätbarock, übertriebenen Gebrauch von Ornamenten, häufig Muschelmustern
Klassizismus 1770 - 1840
Gegenbewegung zum Barock und der übertriebenen Verzierung des Rokoko,
Rückbesinnung auf das Klassische, die Antike: wieder geradlinige, klare Formen, griechischer Tempelbau,
Biedermeier 1815 - 1850
unpolitische Haltung, Betonung des Privaten, Spießigkeit
Historismus 1850–1900
auch Gründerzeit, Nachahmung und Kombination stilistischer Elemente aus den vergangenen Epochen Barock, Rokoko, Romanik und Renaissance
Jugendstil 1900–1920
Aufgabe der Symetrien, Neues, florale Ornamente
1330 - 1430 Schwarzpulver gewinnt an Bedeutung im militärischen Einsatz, wodurch die bisherige Architektur von Verteidigungsbauten unbedeutender wird
1450 Buchdruck mit beweglichen Lettern
1492 Entdeckung Amerikas
1517 - 1648 Reformation
1618-1648 Dreißigjähriger Krieg unter Einsatz großer Söldnerheere, bei dem zwei Drittel der Bevölkerung ihr Leben verloren.
1789 Französische Revolution, die den Absolutismus (absolute Herrschaft eines Einzelnen) beendete.
1819 Karlsbader Beschlüsse, um liberale und nationale Tendenzen im nach-napoleonischen Deutschland (=Deutscher Bund) zu ersticken
z.B. strenge Zensur vor allem in Universitäten. Gegenbewegung: Vormärz
Der Begriff der Romanik bezieht sich auf die altrömische Bauweise mit ihren Säulen und runden Formen. Er entstand erst im neunzehnten Jahrhundert durch einen deutschen und einen französischen Liebhaber mittelalterlicher Kunst und leitet sich aus dem französischen „l‘art roman“ für „römische Kunst“ ab. Zuvor wurde die erste große Kunstepoche nach dem Untergang Roms und dem Ende des Zeitalters der Antike als lombardischer, byzantinischer, neugriechischer oder vorgotischer Stil bezeichnet. Sie erstreckte sich etwa von der Mitte des zehnten bis zur Mitte des dreizehnten Jahrhunderts.
In der Baukunst wird der Übergang von der byzantinisch geprägten Spätantike zur Romanik zwischen dem fünften und dem elften Jahrhundert als Vor- oder Präromanik bezeichnet. Bevor das Christentum zur Staatsreligion aufstieg, hatte man bereits den profan geprägten Bautyp der Basilika für Kirchenbauten genutzt und diesen dann in der Zeit der Romanik weiter entwickelt. Daraus entstand die bis heute im Westen erhaltene Form der Sakralarchitektur eines lateinischen Kreuzes (Longitudial- oder Längsbau), das symbolisch auf der Vereinigung von Himmel und Erde verweist. Aber auch der sogenannte Zentralbau, dessen Hauptachsen zumeist gleich lang sind, war in der Romanik vertreten, vorwiegend in Form von achteckigen Kirchen, Burgkapellen oder Grabeskirchen. Die bedeutende Abteikirche Ottmarsheim mit einem Zentralbau in Form eines Oktogons ist Teil der Romanischen Straße im Elsass, die viele romanische Baudenkmäler miteinander verbindet.
Als Beispiele der deutschen Frühromanik gelten die in der ersten Hälfte des zehnten Jahrhunderts erbaute Michaeliskirche in Hildesheim, der Willigis-Bardo-Bau des Mainzer Doms, die Domkirche St. Maria und St. Stephan in Speyer oder die Säulenbasilika der Klosterruine Limburg.
Die zweite Phase der Romanik begann ab Mitte des elften Jahrhunderts. In Deutschland wurde sie Hochromanik genannt und hatte ihre Blütezeit im zwölften Jahrhundert. Gestiegene ökonomische und technische Möglichkeiten verhalfen der Baukunst zu enormen Entwicklungen.
Die Spätromanik ab Mitte des zwölften Jahrhunderts gilt als Übergang zur Gotik und reichte vielerorts bis in das dreizehnte Jahrhundert hinein. Statt Rundbögen wurden nun Spitzbögen, wie zum Beispiel am Limburger Dom, gebaut. Die Spätromanik zeichnete sich mitunter auch durch bereits gotische Formen und deutlich üppigere Verzierungen sowie in Teilen Süddeutschlands und landschaftsprägend in Norddeutschland durch die sogenannten Backsteinromanik aus.
Der Wechsel zur französischen Gotik erfolgte in einer Zeit reger Bautätigkeiten, wodurch viele Bauwerke sowohl romanische als auch gotische Elemente in sich vereinen. Im Rheinland wurde der Baustil von Kirchenbauten dieser Art Rheinischer Übergangsstil genannt.
Typische Stilelemente romanischer Baukunst waren einfache geometrische Grundrisse, betont wuchtige, wehrhafte Steinwände mit kleinen Fenstern, Säulen mit Kapitellen in Blockform, Pfeiler, Rundbögen, Rundbogenfenster und Gewölbe, in vielen Gegenden auch Türme. Im zwölften Jahrhundert wurden viele Zweiturmfassaden, teilweise auch mit Vierungstürmen erbaut. Mancherorts wurden auch Materialien antiker Bauwerke (beispielsweise römischer Ruinen) wie Mauersteine und -ziegel, aber auch besondere, eigens importierte Säulen eingebaut.
Große Kreuze und Jesus-, Madonnen- Heiligenfiguren aus Holz, Stein und Bronze werteten die Bauwerke auf. Der Ausdruck der Figuren erschien zu dieser Zeit noch unbelebt und streng.
Schmuckformen der Hoch- und Spätromanik waren prächtige Rosenfenster, das waagerechte Stilelement Fries zur Gliederung und Dekoration an Fassaden und Rundbögen sowie kleine Gesichter, Tiere oder Figuren. Phantasie- und formenreiche Ornamente waren hautpsächlich an Säulenkapitellen und Skulpturen zu finden.
Einige Burgen von Landesfürsten, Bischofspaläste sowie Kaiser- und Königspfalzen sind ebenfalls im romanischen Stil erbaut.
Die Romanik hatte einen weitaus größeren Einfluss in der Architektur als im Kunsthandwerk, in der Bildhauerei oder in der Malerei und breitete sich durch Klöster in ganz Europa aus.
Der Bau von romanischen Möbelstücken diente vorrangig der Zweckmäßigkeit. Truhen, Bänke, Schränke, Betten, Tische und Faltstühle hatten massive und schlichte Formen und waren hauptsächlich aus Eiche, aber auch aus Tanne, Kiefer, Esche, Lärche oder Nussholz gefertigt. Die Oberflächen waren kaum behandelt oder verziert, höchstens mit geschnitzten Knäufen, keilförmigen Motiven und Leder- oder Stoffbezügen. Erst später wurden Pflanzen, Tiere und Menschen darauf abgebildet und die nützlichen Eisenbeschläge wurden künstlerisch bearbeitet. Die meisten noch erhaltenen Möbelstücke dieser Zeit sind Kirchenmöbel.
Im Bereich der Kunst blieben hauptsächlich Plastiken sowie Erzeugnisse der Wand- und Buchmalerei erhalten. Die Kunstproduktion bezog sich vorrangig auf das einflussreiche Christentum sowie die Bereiche Kultur und Wissenschaft. Außer von den Römern und Germanen wurde sie auch von der islamischen Kunst beeinflusst und beinhaltet neben ihren einheitlichen Grundformen viele regionale Besonderheiten und Sonderformen.
Großformatige, illuminierte Prachtausgaben der Bibel (sogenannte Riesenbibeln) sowie kostbare Aufbewahrungsbehältnisse von Reliquien (Reliquiare) waren eindrucksvolle Besonderheiten der Buchmalerei und der Goldschmiedekunst dieser Zeit.
Um das Jahr 1130 war die Damenkleidung kaum von der Herrenkleidung zu unterscheiden und bestand aus einem langen Rock und einem langen, wallenden Mantel. Die Betonung des Körpers durch enge Kleidung und schmückende Zusätze war zu dieser Zeit nicht üblich, das Erscheinungsbild war würdevoll.
Künstler und Architekten, die sich im neunzehnten Jahrhundert im Zuge des Historismus am Stil der westlichen Romanik orientierten, schufen den europäischen Kunststil der Neu- oder Neoromanik, der vor der Entstehung des Begriffs der Romanik byzantinischer- oder altchristlicher Stil sowie Rundbogenstil genannt wurde.
Den Begriff "Gotik" prägte ein italienischer Kunsttheoretiker in der Kulturepoche der Renaissance, um damit seine Missbilligung der mittelalterlichen gotischen Architektur im Vergleich zur kunstvollen Antike auszudrücken. Das italienische Wort „gotico“ bedeutet „barbarisch“ oder „fremdartig“ und war ursprünglich ein Schimpfwort, das sich auf das ostgermanische Volk der Goten bezog. Der Begriff etablierte sich während des neunzehnten Jahrhunderts auch für Künste wie die Bildhauerei oder die Malerei. Der negative Besetzung verlor im Laufe der Zeit ihre ursprüngliche Bedeutung und der Begriff wurde beibehalten.
Als herausragendste Entwicklung der Gotik gilt die Kathedrale. Sie verbindet die Architektur, die Bildhauerei, die Malerei und das Kunsthandwerk miteinander zu einem Gesamtkunstwerk. Als einer der ersten gotischen Sakralbauten gilt die Kathedrale von Saint-Denis nördlich von Paris.
Die Gotik entstand um das Jahr 1140 zunächst in Frankreich, gefolgt von England und entwickelte sich jeweils unabhängig weiter. In Deutschland währte sie ungefähr vom zwölften bis zum fünfzehnten Jahrhundert und löste sich zunehmend vom französischen Vorbild. Dabei lag der Schwerpunkt auf einfacheren Grundrissen ohne anspruchsvolle offene Strebesysteme und auf einer insgesamt schlichteren Erscheinung.
Die sogenannte „Reduktionsgotik“ (im zwanzigsten Jahrhundert auch Deutsche Sondergotik genannt) bevorzugte die Hallenkirche, die über gleich hohe Seitenschiffe verfügte und daher einer großen Halle ähnelte (im Gegensatz zur Basilika aus romanischer Zeit). Viele Basiliken wurden im Nachhinein zu Hallenkirchen umgebaut.
Eine norddeutsche Sonderform ist die sogenannte Norddeutsche Backsteingotik als Teil der gesamten Backsteingotik, zu deren typischen Elementen das sogenannte Maßwerk und Friese aus Formsteinen gehörten.
Das Maßwerk ist eine Verzierung des Steins mit geometrischen Formen im Bereich von Fenstern, Wänden und Brüstungen. Ihre Erfindung um das Jahr 1215 wird auch als Geburtsstunde der Gotik bezeichnet. Die Ornamente wurden in der Spätgotik komplexer. In Frankreich, Belgien und England wurde die letzte Stilstufe der Spätgotik "Flamboyant", zu Deutsch „flammend“ genannt, deren Maßwerk an Flammen erinnert. Viele Vorlagen der Ornamente entstammen der Pflanzenwelt wie zum Beispiel das Eichenlaub. An Giebel- und Turmspitzen wurde gerne ein Kreuzblume angebracht.
Die Baukunst entwickelte sich in vielen Fällen durch den Ansatz von „Trial and Error“ weiter, weswegen einige Gebäude bereits während des Baus einstürzten oder nachträglich gestützt werden mussten.
Viele deutsche Städte erhielten ab Mitte des zwölften Jahrhunderts ihre Stadt- und Befestigungsrechte, woraufhin Mauern, Wehrtürme und Stadttore entstanden. Mit der Ausbreitung von Schusswaffen wurde die Höhe der Wehrtürme stark reduziert. Auch durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse entwickelte sich aus dem groben und massiven Stil der Romanik die europäische Architektur- und Kunstepoche der Gotik.
Einst wehrhafte Burgen ähnelten in ihrem Aufbau nun immer mehr sakralen Gebäuden und erhielten eingewölbte Räume, Maßwerkfenster und mitunter auch Innenhöfe, die stark an die Kreuzgänge in christlichen Klöstern erinnerten. Es entstanden zunehmend repräsentative Schlösser und wohnliche Aspekte rückten in den Vordergrund.
Das zwölfte und dreizehnten Jahrhundert war der Auftakt in ein neues geistiges, theologisches, politisches, wirtschaftliches und technisches Zeitalter. Sakrale Gebäude sollten nicht nur Frömmigkeit, sondern auch Macht und Führungsansprüche demonstrieren. Der Monarch, der Adel und die Bischöfe überflügelten sich gegenseitig mit immer großartigeren Bauten. Die höchsten Kirchtürme stammen aus der Zeit der Gotik oder in dieser Zeit begonnenen Bauwerken, die erst im neunzehnten Jahrhundert vollendet werden konnten. Der im Jahr 1890 fertiggestellte Turm des Ulmer Münsters ist mit über einhundertsechzig Metern der höchste Kirchturm der Welt. Der spätromanische Stil mit seinen typischen Rundbögen wurde um Spitzbögen und Rippengewölbe erweitert und wandelte sich langsam zum gotischen Stil. Diese Baukunst wurde zunächst als Spitzbogenstil bezeichnet, später auch als Übergangsstil oder Frühgotik.
In Zeiten der Landflucht entstand ein größerer Bedarf an sakralen Bauwerken und die Städte wurden gleichzeitig in die Lage versetzt, aufwendige gotische Bauwerke zu finanzieren.
Pfarrkirchen hatten zumeist eine sogenannte Einturmfassade, die den großen Bischofskirchen in nichts nachstand. Die Fassaden waren ebenfalls üppig verziert und die großen Portale wurden mit Skulpturen ausgestattet. Nachdem der Turm des Freiburger Münsters fertiggestellt war, begann auch unter den Städten ein regelrechter Wettstreit.
Auch die Fassaden der Bürgerhäuser und der Rathäuser waren stark verziert und mit Stufengiebeln, Treppentürmen, Ecktürmchen, Erkern und Glockentürmen ausgestattet. Die Räume verfügten über flache, mit Holz getäfelte Decken oder Holzgewölbe, Wandbehänge, Kachelöfen und schwere Holzmöbel mit Schnitzereien. Die Zweckmäßigkeit eines (oftmals asymmetrischen) Profanbaus stand jedoch im Vordergrund. Spätgotische Steinkreuzfenster ersetzten die verbreiteten Bogenfenster, die seither den Sakralbauten vorbehalten waren.
Die Wohnhäuser waren überwiegend noch Fachwerkhäuser, in vielen Städten entstanden jedoch bereits hochpreisige Steinhäuser („steinreich“).
Charakteristisch für gotische Städte sind gewölbte Laubengänge, die gerne als geschützte Marktstände genutzt wurden.
Ab Mitte des dreizehnten Jahrhunderts setzte die Hochgotik und Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die Spätgotik ein, die bis etwa 1520 andauerte.
Durch die Erweiterung des einfachen romanischen Kreuzgewölbes zum sogenannten Kreuzrippengewölbe mit außenliegendem tragendem Strebewerk, wurden dünnere Mauern, schmalere Pfeiler, Außenwanddurchbrüche, mehr und feiner strukturierte, deutlich größere Fenster sowie unterschiedliche Grundrisse möglich. Die Funktion der stützenden Bauteile in den Innenräumen wurde so überspielt, dass ein Gefühl von Leichtigkeit vermittelt werden konnte.
Das Licht Gottes sollte als Sonnenstrahlen in die ganze Kirche gelangen und seine metaphysische Wirkung entfalten können.
Eine besondere Form der Pfeileranordnung war der sogenannte Einstützenraum. In der weiteren Entwicklung wurden komplizierte Netzgewölbe gefertigt.
Die besonderen Konstruktionen sowie eine neuartige Verwendung von stabilisierenden Zugankern aus Stahl erlaubten eine immer höher strebendere Bauweise.
Durch Eisenstangen konnten auch die immer größeren Maßwerke der Fenster realisiert werden. Charakteristisch waren auch große, farbige und runde Fenster (Fensterrosen) sowie reiche, farbenfrohe Fresken und Verzierungen in Form von Kreuzblumen und Krabben.
Der Baustil entwickelte sich so erfolgreich weiter, weil jedes neuen Bauprojekt das zuvor Erreichte aufgriff und zugleich als Fundament für nachfolgende Bauvorhaben diente.
Als Glanzleistungen der Hochgotik gelten die Kathedrale Notre-Dame von Chartres, die Kathedrale von Reims, die Kathedrale Notre-Dame de Paris, die Sainte-Chapelle in Paris, das Freiburger und das Straßburger Münster, der Kölner Dom sowie der Veitsdom in Prag.
Auch das Handwerk und die Kunst erfuhren durch die steigenden Ansprüche dieser Zeit Abwechslung und Aufwertung. Durch die Erfindung der Sägemühle im vierzehnten Jahrhundert konnten Bretter beliebig dünn zugeschnitten werden, woraufhin die Werkstücke leichter und filigraner wurden.
Der Aufbau gotischer Möbel ähnelte dem der Architektur: die Vertikale wurde durch die tragenden Elemente (wie zum Beispiel durch hohe Rückenlehnen für Stühle) betont, während durchbrochene Flächen und reiche Verzierungen (häufig in Form von feinen ornamentalen Kerbschnitzereien) hinzukamen.
Auch Funktionen wie aufklappbare Tischplatten zur Verwendung als Schreibtisch oder Schubladen für Schränke, die zunächst noch an zwei gestapelte Truhen erinnerten, kamen hinzu. Truhenbänke wurden mit klappbaren Lehnen versehen und die Stühle erhielten zusätzlich zu den Rückenlehnen auch Armlehnen. Das Gewölbe der Architektur findet sich auch im Baldachin der Betten wieder. An hohen Pfosten konnten Vorhänge befestigt werden. Zur Verzierung wurden in der Zeit der Frühgotik noch Fabelwesen in das Holz geschnitzt. Durch die sogenannte Maßwerkschnitzerei konnten später geometrische Formen aus Bögen und Kreisen (wie der Dreipass und die Fischblase) mit Ornamenten aus der Pflanzenwelt kombiniert werden. Bandförmige, von Pflanzendarstellungen umrahmte Ornamente, wurden gerne für Füllungen verwendet. Truhen, die einst zur Lagerung der wertvollen Brautaussteuer dienten, waren dem Anlass entsprechend reich verziert.
Eine besondere Hobeltechnik war das sogenannte Faltwerk, das an gefaltetes Pergament oder Leinen erinnerte. Gewänder konnten nun originalgetreuer dargestellt werden und Skulpturen, die hauptsächlich an Portalen und Fassaden von Sakralbauten positioniert waren, gewannen an Anmut und Ausdruckskraft. Das Mitte des vierzehnten Jahrhunderts entstandene gotische Marienbildnis der ehemaligen Dietkirche in Bonn (Dietkirchen-Madonna) zählt zu den eindrucksvollsten Werken der Hochgotik des Rheinlandes.
Die gotische Malerei entfaltete sich vom zwölften bis ins sechzehnte Jahrhundert. Ihre unterschiedlichen Stile sind nicht so genau abzugrenzen wie die der Architektur. Zu Beginn waren die Motive hauptsächlich religiöser Natur und der Fokus lag weniger auf einer wirklichkeitsnahen Darstellung als auf einer klaren Anordnung nach der religiösem Bedeutung. Die Internationale Gotik setzte auf weiche Gesichtszüge und fließende Gewänder. Große Fensterflächen ebneten der Glasmalerei den Weg, die in ihrer Blütezeit das Fresko teilweise verdrängte.
Mitte des dreizehnten Jahrhunderts wurde die Buchmalerei in Frankreich immer beliebter, die mehr und mehr auch weltliche Werke zierte und im weiteren Verlauf großen Einfluss auf die Tafelmalerei hatte.
Die Spätgotik beschäftigte sich durch die seinerzeit verbreitete Endzeitstimmung besonders viel mit der Passion Christi, die immer heftiger dargestellt wurde.
Bis heute erhaltenes Kleinkunsthandwerk aus gotischer Zeit entstammt hauptsächlich kirchlichem Besitz. Aus wertvollen Materialien wie Edelsteinen, Silber, Gold, Seide oder Elfenbein wurden Kunstwerke mit gleichzeitiger Gebrauchsfunktion wie Kelche, Leuchter, Monstranzen oder liturgische Textilien hergestellt.
Die typisch weltliche Mode für die Zeit der Gotik waren lange, fließende und bunte Gewänder, enge Mieder, weite Ausschnitte und langes, gewelltes Haar. Männer trugen enge Beinkleider zu einem kurzen, geschlitzten Wams.
Das Auftreten gotischer Motive in der Architektur über die Zeit der Gotik hinaus wird als Nachgotik bezeichnet und ist bis in die übernächste Epoche des Barocks nachweisbar.
Johann Wolfgang von Goethe weckte mit seinem Text „Von Deutscher Baukunst“ im achtzehnten Jahrhundert eine neue Begeisterung für die Gotik, als er sie zum „deutschen Stil“ ernannte. Im kommenden Jahrhundert nahmen auch viele andere Länder die Gotik als Nationalstil für sich in Anspruch und werteten die Kunst dadurch auf. Goethes Irrglaube konnte erst Ende des neunzehnten Jahrhunderts wissenschaftlich widerlegt werden.
Zwischen 1830 und 1900 orientierte sich der Baustil der Neu- oder Neogotik als eine der frühesten Unterarten des Historismus an einem idealisierten Bild des Mittelalters.